Lord

Wer war Lord?

Wenn man namhafte Linien der hannoverschen Reitponyzucht durcharbeitet, kommt es sehr oft vor, dass in den hinteren Generationen der Name Lord auftaucht. Auch in unserem Stutenstammbaum ist er über die Hengstlinie des Candy Carel vertreten.

Lord wurde 1961 im Bolgoed-Gestüt in Wales geboren. Sein Originalname war Bolgoed Casanova. Das von Mr. Tom Norman Lewis in den 30er Jahren gegründete Gestüt brachte auch einige Royal Welsh Sieger hervor. Darüber hinaus war Mr. Lewis 1963 und 1964 Präsident der Welsh Pony and Cob Society und gab später im hohen Alter das Gestütspräfix an Familie Stevens in Cardiganshire weiter. Zur Zeit seiner Präsidentschaft unterhielt er auch enge züchterische Verbindungen zum Downland-Gestüt.

Laut Studbook Nr. 47 der WPCS wurde Bolgoed Casanova am 12. Mai 1964 von dem damals bekannten Pferdehändler P.J.M. vd Berg in Wolfheze (NL) in die Niederlande importiert. Im selben Jahr entdeckte ihn dort der Vielseitigkeitsreiter Klaus Wagner (1932 Knauthain -2001 Neindorf) der zweimal bei den Olympischen Spielen (1952 Helsinki und 1956 Stockholm) mit der Mannschaft die Silbermedaille errang, und brachte ihn mit nach Deutschland. Der Olympionike wusste durch seine vielen Auslandsaufenthalte den Wert britischer Ponys zu schätzen, denn in Großbritannien war der Ponysport mit Kindern zur damaligen Zeit bereits fest etabliert.

Es war in den 60er Jahren durchaus üblich, dass man Importpferden einen neuen Namen gab, da Lebensnummer und Abstammungsnachweis neu ausgestellt wurden. So erhielt auch Bolgoed Casanova von Fam. Wagner den kurzen wie auch einprägsamen Namen: Lord! So wurde Lord vom Verband der Pony und Kleinpferdezüchter Hannover 1964 als Welsh B Hengst gekört und in der Zucht erfolgreich eingesetzt. Darüber hinaus errangen die Söhne von Klaus Wagner (Hasso, Christoph und Udo) in den 60er und 70er Jahren mit Lord zahlreiche Siege in Spring-und Vielseitigkeitsprüfungen. Hasso Wagner schwärmt heute noch von den vielen Vorzügen des Ponyhengstes.

Die deutsche Welsh B Zucht wurde durchforstet

Fälschlicherweise wurde Lord -wahrscheinlich aus Unkenntnis der damaligen Zuchtleitung und wahrscheinlich auch aufgrund seiner Größe (1,35m) -als Welsh B Hengst gekört. Als in den 80er Jahren durch Mithilfe der IG Welsh eine Überprüfung der Welsh Stutbücher in Deutschland durchgeführt wurde, stellte sich heraus, dass er von der Abstammung ein Reitpony war, da Lord über seinen Vater, Downland Domini, eine erhebliche Portion arabisches Blut führte.

Da das Stutbuch der Sektion B bereits 1960 geschlossen wurde, darf vermutet werden, dass, wenn er zwei Jahre früher geboren worden wäre, er durchaus im B-Buch hätte verweilen können, denn von Typ, Größe und Ausprägung hat er auch seinerzeit schon ein modernes Welsh B Pony verkörpert. Da bei der Entstehung der Sektion B auch Pferde orientalischer Blutführung mitwirkten, hätte man auch abstammungsmäßig keine Einwände erheben können. Doch leider war das Stutbuch geschlossen und von 1960 an nur noch Reinzucht od. in Kombination mit Sec. A möglich. Dasselbe Schicksal ereilte auch Hengste wie: Curry, Werwolf,...

Daher siedelte Lord mit seiner ges. Nachzucht ab 1985 in das Reitpony-Stutbuch über. Wenngleich die „Bereinigung“ der Stutbücher aufgrund der Regularien unumgänglich geworden war, brach für einige B-Züchter eine Welt zusammen, denn sie mussten von nun an ihre Zucht komplett neu aufbauen. Als Vatertier wurde er nun nicht mehr stark frequentiert, konnte aber durch die Töchter seine wertvollen Eigenschaften, die er bereits im Sport unter Beweis gestellt hatte, in die Linien der Reitponyzucht weitergeben. Seinen Lebensabend verbrachte er ab 1987 bei Sigurd Schlüter in Peine, wo er 1992 altersbedingt eingegangen ist.